AGUA Y VINO “A MI MANERA” von Bronek Kubal (Musikverrueckt.de)


Flamenco aus Deutschland wird meistens mit poppigen Elementen versehen, um es auch dem Gegenheitshörer zu ermöglichen, einen kleinen Einblick in die Materie zu bekommen. Nicht so beim Duo Agua Y Vino, die mit “A Mi Manera” zwar kein reines Flamenco-Album, aber 12 wunderschöne “spanische” Songs aufgenommen haben und den Zuhörer auf eine intensive verträumte Reise mit nehmen. Ein audiophiler Genuss mit einfachen Mitteln.


Die CD des Duos beginnt mit einem schönen, getragenen melancholischen Rumba. “El Payo” ist ein Nicht-Zigeuner, hat sich unsterblich in seine geliebte “La Gitana” verguckt und beide verzweifeln über die Unmöglichkeit ihrer Liebe, Barbara bringt das wunderbar zum Ausdruck mit intensivem langgezogenen klagenden Gesang.


In der folgenden Sevillana “Mirala Cara A Cara” hört man (im Kopfhörer) das Zusammenspiel von Kastagnetten und das nach links und rechts gemischte Spiel der Akustikgitarren. Toller, transparenter Sound!


Die nächste “Leyenda” ist weder ein Tanz noch ein Flamenco-Stil, sondern eine Erzählung, die auf alten historischen oder fiktiven Legenden beruht. Beginnt mit dem Klang einer spanischen akustischen Gitarre. Eine Zigeunerin ist kinderlos geblieben und sucht Rat bei “La Luna”. Diese verspricht ihr einen Mann und will im Gegenzug das erste geborene Kind haben (Es rumpelt, wenn hier jemand an Stilzchen denkt) - nach 60 Sekunden plötzlich die Überraschung - Erik mit elektrischem melodiösen Klanggewölbe, das die Tristesse des Songs dynamisch unterstreicht. Die Geschichte nimmt eine dramatische Wendung, denn das Erstgeborene ist ein Albino. Was für einen Tanz der Zigeuner im Ende von “Hijo De La Luna” veranstaltet, verrate ich lieber nicht.


Die Vielseitig von Aguy y Vino setzt sich im Tango “Rosa Maria” fort. Barbara’s Stimme überschlägt sich fast in der Spitze. Tangos sind leidenschaftlich - und diese Stimmung kommt hier auch gut rüber. Barbara Hennerfeind’s Gesang ist kristallklar und brennt sich in die Seele.


Die zweite Überraschung kommt, als ich den Song “A Mi Manera” höre. Zunächst habe ich beim Songtitel nichts gedacht, als die erste gesungenen Worte erklingen, denke ich mir “das ist doch immer noch ein klasse Song, egal in wie vielen Versionen er existiert. Die Frank Sinatra-Nummer “My Way” erfährt hier trotzdem eine komplett neue und intensive (spanisch gesungene) Aufbereitung. Eines der besten Stücke der CD und eine sagenhafte Interpretation von Barbara - Erik erzeugt mit seinem Gitarrenspiel und den locker luftig eingeworfenen Licks zwischen den Versen wunderbare romantische Mittelmeer-Atmosphäre.


Das ruhige “La Llorona” erinnert mich an Minnegesang im Mittelalter und irgendwo an die gesungenen Erzählungen der Griots aus Afrika. Eine Geschichte über den verzweifelten Geist eine Frau - Stoff für einen mystischen Gruselfilm - und fast unmerklich gesellen sich nach 3 Minuten Bass- und elektrische Gitarre zum Gesamtsound und sorgen mit der immer leidenschaftlicher ausbrechenden - sich fast überschlagenden - Stimme Barbara’s für eine dramatische Wende.


Noch gruseliger und düsterer kommt’s im instrumentalen “Suspiro Del Moro” - das Flüstern des Mauren. Der aufkommende Wind suggeriert einem die triste Umgebung - ich stehe in einer verlassenen Burgruine - ich wandere umher und bedaure, dass es das einstige blühende Leben nicht mehr gibt. Die Gitarre trauert mit mir in d-moll - tolle Inszenierung von Erik Weisenberger, der die tiefe E-Saite zum “D” heruntergestimmt hat (in der Fachsprache für Gitarristen heisst das “Dropped D-Turning”). Menschen haben aufgrund verschiedener Religionen immer wieder für Krieg und Leid gesorgt - wie auch im Falle des Maurenfürsten, der - wie es die Legende belegt durch eine mit einem Grenzstein belegte Aufschrift - einen letzten Blick auf die Stadt wirft, aus der er vertrieben wurde.


Der Hommage an die verstorbene Zigeuenerjazz-Legende Schnuckenack Reinhard (“Tu Djajal”) folgte die Petenera “El Cafe De Chinitas”. Die Geschichte wie dieses wie auch der beiden nachfolgenden Songs (die Buleria “Anda Jaleo” und die Rumba “Verde”) sind im Original vom spanischen Dichter Federico Garcia Lorca geschrieben worden. Zum Thema Petenera erzählt Barbara Hennerfeind etwas mehr im Interview auf dieser Webseite.


Die tolle CD wird beschlossen mit der traditionellen spanischen Komposition “El Vito”.  Agua y Vivo haben den Dreiviertel-Takter mit einem modernen “lustig anmutendem” Arrangement versehen. El Vito ist wörtlich übersetzt der Schalk und wird in Spanien auch oft als Kinderlied vorgetragen. Mehr zum Song bei den Praxistipps im Hauptverzeichnis dieser Webseite.


FAZIT:

Sehr mutig vom Duo Aguo Y Vivo, sich ohne grosses Getöse (sprich: kommerziellem Flamenco-Pop) durch 12 abwechslungsreiche Stücke spanischer und andalusischer Musiktraditionen zu bewegen. Die CD ist Beleg dafür, dass es heutzutage auch ohne teure Studio-Produktion möglich ist, ein einzigartiges spiel- wie aufnahmetechnisches Werk zu veröffentlichen. “A Mi Manera” ist hochgradig empfehlenswert.

Veröffentlichung: 2007 (TOTAL TIME: 45:00)

Label: Auris Subt

 

KAUFEMPFEHLUNG:  KKKKKKKKKK (1,864)


Bronek Kubal auf  Musikverrueckt.de